"Das letzte Wort wird Liebe sein."

Ruth Pfau: Ein Leben im Dienst der Menschen

Ruth Pfau wurde am 9. September 1929 in Leipzig geboren. Kurz nach dem Krieg wurde ihr kleiner Bruder schwer krank und starb. Aus diesem traurigen Ereignis heraus entstand ihr Wunsch, Medizin zu studieren. Nach dem Abitur 1948 verließ sie ihre Heimatstadt Leipzig und folgte ihrem Vater in die amerikanische Zone. In Mainz begann sie mit dem Medizinstudium, das sie in Marburg fortsetzte.

Auch während der Studienjahre suchte sie nach einer bestimmenden Kraft für ihr Leben. Sie fand diese im christlichen Glauben. Beeinflusst durch einen Freund, ließ sie sich 1951 taufen und wurde Mitglied der evangelischen Kirche, konvertierte aber schon 1953 zur römisch-katholischen Kirche.

Nach Abschluss ihres Studiums mit dem medizinischen Staatsexamen leistete sie im Krankenhaus Winterberg (Sauerland) ihr praktisches Jahr. Es war die Zeit des Wirtschaftswunders. Materielle Dinge wurden für die Bevölkerung immer wichtiger. Das Schlüsselereignis für ihren Wunsch, später einmal in der Entwicklungshilfe zu arbeiten, war ein Mittagessen mit Kollegen. Alle sprachen über die Farbe des nächsten Autos, damals war das meist ein Käfer. Die junge Frau dachte, das könne doch nicht alles sein: Wagen kaufen, Wagen verkaufen, einen größeren Wagen kaufen. Das Leben müsse doch noch mehr bereithalten.

Dr. Ruth Pfau mit ihrem Team der ersten Stunde in einem Armenviertel von Karachi.
Undatiert, Anfang der 1960er Jahre. Foto: DAHW

1957 trat sie in die Kongregation der Gesellschaft der Töchter vom Herzen Mariä ein. Nach weiterführenden medizinischen Studien – 1958 internistische Ausbildung im Kölner Hildegardis-Krankenhaus, 1959 gynäkologische und geburtshilfliche Weiterbildung im Elisabeth-Krankenhaus in Bonn – wurde sie 1960 zunächst von ihrem Orden nach Indien geschickt, wo sie als Frauenärztin arbeiten sollte. Wegen eines Problems mit dem Visum musste sie jedoch im pakistanischen Karachi einen Zwischenstopp machen. Eine Mitschwester nahm sie in eine Bretterbude – eine Lepra-Ambulanz in einem Slum – mit. Dort lebten unter schrecklichen Bedingungen etwa 150 aussätzige Bettler. Nachdem Ruth Pfau dieses Elend gesehen hatte, entschied sie sich, zu bleiben. Die erste Begegnung mit leprakranken Menschen in einem Elendsviertel Karachis war bestimmend für ihr ganzes Leben geworden.

In dieser Lepra-Ambulanz wurden gleichzeitig Patienten untersucht, Medikamente ausgegeben und Zehen- und Fingerknochen der Leprakranken operiert. Später kam ein Labor hinzu. Es gab weder Elektrizität noch fließendes Wasser. Als monatlich rund 2.500 Patienten zu versorgen waren wurde dem Orden für seine Lepraarbeit ein Gebäude mitten in der Stadt gestiftet. Inzwischen steht dort ein modernes Krankenhaus: das Marie-Adelaide-Leprosy-Center (MALC). Mittlerweile ist es zu einer in ganz Pakistan anerkannten Institution geworden. Damit entwickelte sich schließlich das nationale Lepraprogramm.

1961 begann die bis heute dauernde Unterstützung durch die DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e. V. Auch die Tuberkulosearbeit von Ruth Pfau und ihrem Team wird bis heute durch die DAHW gefördert. Ihr Kampf gegen die Krankheiten der Armut ist nicht nur auf Karachi beschränkt, sondern weitet sich auf ganz Pakistan aus. Auf dem Land haben einst viele Familien ihre leprakranken Angehörigen versteckt und isoliert, da sie sonst aus dem Dorf gewiesen worden wären. Jeder hatte panische Angst vor einer Ansteckung. Gemeinsam mit ausgebildeten Lepra-Assistenten wurden in den Provinzen Außenstationen aufgebaut und Aufklärungsarbeit gemacht. So gelang es ihr und ihrem Team, auch zu den abgelegenen Bergdörfern und Wüstensiedlungen vorzudringen.

Dr. Ruth Pfau in einem Flüchtlingslager während der Flutkatastrophe
2010. Foto: Ralf Klug / DAHW

1980 wurde Ruth Pfau zur nationalen Beraterin im Rang einer Staatssekretärin für das Lepra- und Tuberkulose-Kontrollprogramm für die pakistanische Regierung ernannt. Im gleichen Jahr reiste sie erstmals nach Afghanistan, um dort den Aufbau eines Gesundheitsdienstes zu unterstützen. Zu ihrem 25-jährigen Arbeitsjubiläum erhielt sie 1985 das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern und wurde 1988 zur Ehrenbürgerin Pakistans ernannt.

1991 folgte die Verleihung des Damien Dutton Award, der höchsten Auszeichnung für das Engagement in der Lepraarbeit. Dank Ruth Pfau und ihrem Team konnte die Lepra in Pakistan im Jahr 1996 erstmals unter Kontrolle gebracht werden. Im gleichen Jahr gründete die DAHW die Ruth-Pfau-Stiftung (www.ruth-pfau-stiftung.de). 2004 erhielt die Ärztin die Albert-Schweitzer-Medaille in Gold. Ein Jahr darauf wurde sie mit dem „Marion Dönhoff Preis“ geehrt. Wegen ihres großen Engagements in der Erdbeben- und der Flutopferhilfe wurde sie mit dem pakistanischen Life-time Achievement Award ausgezeichnet. Unermüdlich setzt sie sich dabei für Menschenrechte, Völkerverständigung und die Achtung aller Religionen ein.

In 50 Jahren Zusammenarbeit 2011 förderte die DAHW die Hilfsprogramme in Pakistan mit insgesamt 35,3 Millionen Euro. Dr. Ruth Pfau hat ein Team aus pakistanischen Frauen und Männern ausgebildet, das längst die Arbeit des MALC und der landesweiten Projekte übernommen hat.

Sie selbst war mit 83 Jahren noch aktiv in den Projekten tätig, denn ihr Fachwissen war nach wie vor sehr gefragt. 

Am 10. August 2017 starb Ruth Pfau um 00:30 Ortszeit (21.30 Uhr MESZ) im Alter von 87 Jahren in Pakistan gestorben. Die Ehrenbotschafterin für die weltweite Lepra-Arbeit der DAHW ist nach einem Schwächeanfall in der Aga-Khan-Klinik, Karachi friedlich eingeschlafen.